16. November – Wir besuchen die Missionars-Stellung Hermannsburg


Ich brauche wohl nicht weiter zu erläutern, dass die Nacht um 4 Uhr für mich zu Ende war. Erstaunlicherweise hatten wir in unserer Sardinenbüchse ausgezeichnet geschlafen. Es sind also in punkto mangelndes Raumangebot noch Steigerungen zu Skrollan vertretbar.


Es ging mit der üblichen Geschichte weiter: Sonnenaufgang und vier Stunden Wanderung. Diesmal um den Kings Canyon.




Es ist hier sehr schön und sehr beeindruckend. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Viel Fels, tolle Schluchten, viele Wandergruppen und ab und zu die "Hanoi"-Simulation, nämlich die Helicopter, die mit fetten meist englischsprachigen Turis Luftangriffe im Tiefflug auf uns Wanderer vollführten. Das Gelände sah ja schon ein wenig aus, wie nach dem Einsatz von Agent Orange.


Nun denn, wir erreichten den "Garden of Eden", eine wunderschöne Palmen-Oase mitten in einer Felsschlucht.

Während wir auf einem Holzsteg über der Schlucht verweilten, kam eine Schweizer Reisegruppe und ich liefere Euch jetzt den Beweis, warum die Schöpfungsgeschichte zumindest, was die "Eva"-Nummer angeht, wahr sein muss.

Also, noch mal zur Erläuterung:

Schlucht, unter uns klares Wasser, ein kleiner Sandstrand, Palmen, Schatten und angenehme Temperaturen.


Auf der Brücke rückt die weibliche Spitze einer Schweizer Reisegruppe ein.

Die ersten drei Frauen kucken runter in den "Garden of Eden", kucken noch mal, da sagt die eine mit greller Stimme: Das habe ich mir jetzt aber anders vorgstellt!

Die nächste: Ist das alles?

Die Dritte: mmmhh...irgendwie interessanter...auf alle Fälle schöner.

Etwas verstört schauen mich alle an, als ich zu ihnen sage: Darf ich Ihnen schon mal den Apfel reichen?!

...Begriffen haben sie es leider nicht.

Aber das war typisch Frau. Kaum ist sie im Paradies, gibt’s gleich was zu meckern: Boah, wat is das langweilig hier? Adam, Du kannst mal wieder die Palmen umpflanzen... hat mal einer nen Apfel!

Nun denn... ich fand’s witzig.


Dann vergaß jemand von uns beiden unsere Kamera-Tasche samt aller Papiere, Scheckkarten und Telefone. Eine aufmerksame Reisegruppe erinnerte uns an den Verlust und daraufhin entwickelte sich eine sehr angenehme gemeinsame Restwanderung mit netter Unterhaltung.

Ich unterhielt mich mit einem Volker aus Kiel, der unser Traumschiff (eine Maxi 999) 18 Jahre sein eigen nannte und klärte mich über das Schiff umfassend auf. So ging die Wanderung zu Ende und nach einem letzten Tankstopp im Kings Canyon Ressort sollte uns die erste unbefestigte Straße erwarten.

Die Mereeni-Loop Road war gerade erst wieder geöffnet. Die Folgen der Überschwemmungen vor einer Woche waren gerade erst beseitigt. Daher sollte die Schotter-Piste nicht im besten Zustand sein.

Mit dem Wasser ist das hier sowieso so eine Sache.

Wenn es regnet, nimmt der Boden das Wasser nicht auf. Es gibt quasi keine Humusschicht. Deshalb fliesst das Wasser reissend ab und nimmt dann den doch durchfeuchteten Sand mit. Zu beiden Seiten der Straße sind in kurzen Abständen Abflussbögen aufgeschüttet, die das Wasser von der Straße wegführen sollen.

Was uns aber jetzt mit der Mereeni-Loop Road erwartete, war für uns der Hammer:


Ein roter oder gelber Streifen Sand, der quer durch die Landschaft geschnitten war. An den Stellen an denen die Folgen der Überschwemmungen beseitigt wurden, fanden sich mitunter fussballgroße Schottersteine mitten auf der Straße.


Naja und dann gab es erstmal Kamele:


Pferde:


Und immer wieder Sand, Sand, Sand...


Gottseidank habe ich mit Arne tagelang das Computerspiel "Colin McRae Rallye-Championsship" gespielt.

Ich hätte nie gedacht, dass mir diese Erfahrung jemals zu etwas nütze sein würde. Aber das Spiel ist, wie ich jetzt in der Nachbetrachtung feststellen darf, derart real, dass ich den Nissan ziemlich schnell und sicher über die Schotter- und Sand-Passagen bewegte. Selbst ein paar herrliche Drifts gelangen mir in etwas engeren Kurven, ebenso ein paar ansehnliche Sprünge.


Das war einfach geiles Autofahren. Aber nach drei Stunden doch sehr anstrengend.

In Herrmannsburg, einer Missionarssiedlung evangelischer Pastoren aus dem Raum Hannover, erwartete uns neben unserer Übernachtungsstelle ein etwas verstörender Anblick.


Man fährt in die Häuseransammlung hinein und passiert als erstes die eingezäunten Wohnhäuser der Aborigines. Auf deren Gelände liegen wild verstreut Müll, alte Waschmaschinen, Autowracks und sonstiger Unrat.

Für die älteste Kultur der Welt ein etwas armseliges Bild... aber beim Blick auf deren Erlebnisse seit dem Erstkontakt mit den weißen Siedlern wohl verständlich.

Gestern hatten wir Franzosen kennengelernt, die schon länger unterwegs waren. Und die meinten, sie hätten langsam keinen Bock mehr auf diese "Aboriginal-Things". Ich hatte gestern nicht nachgefragt, aber langsam verstehe ich, was er meint.

Die Eingeborenenproblematik begegnet Dir an jeder Ecke. Entweder drängen sich Dir überdimensionale Holzpenisse in Form eines Digeridoos ins Bild. Oder es gibt wieder ganz besondere "Aboriginal Art" zu erwerben.

An jeder Ecke musst Du darauf achten, wo Du abbiegst. Vielleicht fährst Du gerade in verbotenes Gebiet oder Du brauchst eine "Permit" für die Gegend.

In Ansiedlungen hängen die Ureinwohner auf der Straße rum oder cruisen sich das Benzin aus dem Tank ihres "Holden Commodore" (australisches Äquivalent zu Opel Omega). Fragst Du Aussies nach Aborigines, hörst Du entweder etwas über die tolle Kultur oder dass die sich besser mal verpissen sollten.

Du sollst den Eingeborenen nicht in die Augen schauen, sie nichts fragen, aber freundlich sein.

Kann mir mal jemand erläutern, wie ich zu jemandem freundlich sein soll, den ich nicht anschauen darf, geschweige denn ansprechen?

Zu diesem vielfältigen Themenkomplex hatten wir eine ganz tolle Informationsgeberin.

In Herrmannsburg wurden wir an Ruth, die örtliche Chefin der Sozialarbeit, verwiesen. Ruth klärte uns über das Hier und Heute und das Gestern des Eingeborenenlebens auf.

Fangen wir mit gestern an: seit der Kolonisierung durch die Briten existieren die Eingeborenen noch nicht mal am Rande der Gesellschaft.

Die Briten brachten die Eingeborenen mit unvorstellbarer Grausamkeit um die Ecke. Ich meine, den Rest, der noch nicht von eingeschleppten Krankheiten, wie Grippe, Syphilis, Typhus, Pocken und sonstigen Sauereien dahingerafft wurde.

So wurden bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts Männer vor den Augen Ihrer Familie erschossen, geköpft und die Frauen hatten den abgeschlagenen Kopf ihres Mannes mit nach Hause zu tragen. Frauen wurden auf Bäume getrieben und so lange beschossen, bis sie vom Baum fielen. Ganze Familien wurden gemeuchelt, weil man Futter für die Jaghunde brauchte. Dies war nur eine kleine Auswahl, aus dem Benehmens-Repertoir der zivilisierten Briten.

Fast zwei Jahrhunderte wurde der ältesten Kultur der Erde klargemacht, dass sie weniger als Nichts wert sei.

Seit den achtziger Jahren (Ja, liebe Freunde, ich spreche von der Zeit, in der wir mit Benetton-Klamotten und Tennissocken mit Wildlederslippern zu "Midnight-Oil" und "Men at Work" getanzt haben) erstritten die Eingeborenen so etwas wie die Anerkennung, dass sie auch menschliche Lebewesen seien. Bis in die 70er hatte einer von Ihnen nicht das Recht, ein Gericht anzurufen. Jeder Weiße konnte so mit ihnen verfahren, wie er meinte, es sei angemessen.

Also seit diesen Achtzigern sollen die Aborigenes so etwas wie Selbstbewusstsein aufbauen. Das gestaltet sich ein wenig schwierig, nachdem man ihnen ihr Land, ihre Kultur und ihr Leben genommen hat.

Kommen wir zum Jetzt:

Die Zeit jetzt ist geprägt von flächendeckenden Alkoholexzessen, Vergewaltigungen von Frauen und Kindern, Arbeitslosigkeit, Vernachlässigung von Kindern, Perspektivlosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Dasein.

Es gibt in der Kultur der Aborigines z.B. kein Wort für Gestern oder Morgen. So ist an jedem Zahltag der Sozialhilfe (heute) erstmal High-life in Dosen und führt dazu, dass das Geld für die Woche trotz absolutem Alkoholverbots versoffen wird und die Kinder nichts zu essen bekommen.

Die Regierung hat jetzt ein Programm gestartet, um umzusteuern.

Dazu gehört, dass die Menschen nur teilweise Ihre Sozialhilfe ausgezahlt bekommen. Wird festgestellt, dass die Kinder nicht zur Schule gehen, gibt es nur noch Lebensmittelgutscheine.

Den Menschen werden jetzt erneut Häuser gebaut und ihnen wird gezeigt, wie man diese benutzt (kein Scherz). Zur Zeit wohnen teilweise 30 Personen in einem Raum bzw. lagern dort irgendwelche Sachen, während sie auf der Straße herumlungern. Mit Ihnen zusammen wird das Haus sauber gehalten. So wird Ihnen gezeigt, dass man Plastikverpackungen nicht einfach wegschmeißen kann, wo man steht.

Als sie noch Nomaden waren, ging das, weil der Müll, der anfiel, verweste. Eine Chipstüte tut das nicht. Das muss man ihnen erstmal dauerhaft nahe bringen. Denn von den Aborigines ist auch niemand bereit die traditionelle Lebensform wieder aufzunehmen.

Weiterhin wird versucht das Glücksspiel und Pornografie über das Internet einzudämmen, das eines der größten Probleme darstellt.

Ruth ist teil dieses Programms und versucht über die Frauen Zugang zu den Menschen zu bekommen. Die Ureinwohner selbst interessiert das eigentlich nicht, auch wenn sie unglücklich mit ihrer Situation sind.

Ruth versucht mit kleinen Projekten, wie Frauenarbeitsstunden, Kinderbetreuung und Härte in der Geldverteilung diesen Haufen an Problemen anzugehen.

Wünschen wir Ihr viel Glück.

Für uns Deutsche ergibt die ganze Situation ein schiefes Bild

Da klaut einer einem anderen das Land ohne einen Krieg zu führen. Wenn der andere sich dagegen wehrt, wird er getötet und später, wenn solche Praktiken nicht mehr "pc" sind, wird versucht das Problem mit Sozialhilfe einzudämmen, anstatt einen vernünftigen Deal zu schließen über die wirkliche Rückgabe eines guten Teils des Landes.

Wie ich bereits schrieb, wurde ja Land zurückgegeben, nur sollte darauf Mining, Farming oder sonstige Ausbeutung von Weißen darauf betrieben werden, haben die Aborigines kein Recht eine Pacht oder ähnliches zu verlangen.

Insofern wirkt es absurd, wenn sich die Australier darüber aufregen, wie viel Geld in die Ureinwohner an Unterstützung fließt.

Auf der anderen Seite hat man auch nicht gerade den Eindruck, dass die Einwohner großartiges Interesse daran haben, für ihre Rechte einzustehen oder aus Ihrer Kultur selbst Früchte zu ziehen.

Deshalb nervt einen das tierisch an, wenn einem hier an jeder Ecke esoterische Aussies (oder eingewanderte europäische Blumenkinder) "artificial aboriginal art" verkaufen wollen, während an der nächsten Straßenecke Papa Dicklippe seine Alte vermöbelt.

..sooo, das war ein langer Weg Euch "the aboriginal thing" zu erklären.