03. September - Fertig!


Während andere schon Mayday rufen, segeln wir dem Teufel ein Ohr ab.

Blöder Scherz beiseite...

Das hat uns heute sehr erschreckt, dass das Schiff, das uns morgens entgegenkam, zwei Stunden später einen Maydayruf absetzte, weil ihm das Segel gerissen, das Vorstag gebrochen und die Maschine ausgefallen war und er auf die Untiefen von Endelave zu trieb.

Aber mal alles auf Anfang.

Vorhersage der Deutschen Dienste war 5 Böen 6 aus West bis Nordwest. Das ist für uns gut segelbar. Bedeutete es nur für die ersten Stunden einen Am-Wind-Kurs und das in (so dachten wir) wellenarmer Gegend.

Die Vorhersage stimmte ungefähr die erste halbe Stunde und dann ging es los. Unser (immer noch drehbehinderter) Windmesser meldete uns konstante 6 Windstärken und das im Gegenan-Stück.

Skrollan hielt sich aber prima und wir segelten das gut aus. Dann erhöhte der Wind noch mal die Schlagzahl und war nicht mehr unter 13 m/s zu drücken. Die Wellen wurden immer unangenehmer und zum Spaß hielt ich wirklich den rechten Arm raus und kuckte links-rechts-links, ob mich die Autos über den Zebrastreifen passieren lassen.

Der Wind zog weiße Streifen über das aufgewühlte Wasser und überall bleckten die weißen Wellenköpfe ihre Zähne.

Damit nicht genug. Zu dem konstanten Wind gesellten sich Böen von zunächst 16 dann 17 (Bft 7) und in der Spitze 23 m/s (Bft 9).

Es wurde immer schwieriger die Höhe zu gehen und das Großsegel hatten wir schon quasi komplett aus dem Wind genommen. Trotzdem legte sich Skrollan auf die Seite und wir kamen mit dem Trockenlegen des Motorpanels (eine Instrumententafel für den Motor, die sich knapp über der Backbord-Sitzfläche befindet) nicht hinterher.

Manchmal brandeten die Wellen teilweise über das ganze Boot und schossen unter dem Spritzverdeck durch. Dann lagen wir so hart auf der Seite, dass die Backbordwinsch und das Backbordsüll durch das Wasser zog oder nach dem vorherigen vorderen Einschlagen des Bugs in die Welle, wurde das Heck angehoben und durch das Runterknallen in der Welle, schwappte das Wasser von hinten rüber.

Unser Motorpanel ist etwas ungünstig angebracht. Man könnte es mit der Abdeckplatte wasserdicht verschließen. Wir haben aber schon mal mehr als eine halbe Stunde gebraucht, diesen Deckel wieder zu öffnen. Das kann ebenso gefährlich werden, wie ein Aussetzer in der Startelektrik.

Mitten in dieser Karussellfahrt hörten wir Gerti von der "Gemma" den Schleusenmeister in Öer anrufen und freuten uns aufrichtig, dass sie kurz vor dem sicheren Hafen waren und bei diesem Ekelwind um die Huk vor Oer gut herumgekommen waren. Direkt in diesen Anruf hinein kam der MAYDAY – Ruf der Segelyacht Däumling.

Die Däumling lag von uns ca. 12 Seemeilen entfernt und wie sich später herausstellte hätten wir dieses 8 Tonnen Schiff in dieser See auch niemals Abschleppen können.

Wie dann aber die dänische Küstenfunkstelle Lingby-Radio diesen Maydayruf bearbeitete, ließ uns doch sehr ... ähhh... verwundert aus der Wäsche kucken.

Ist man von Bremen-Rescue gewohnt, dass ein entsprechender Notfall professionell und zügig abgearbeitet wird, hatte man hier das Gefühl, dass die Dänen nicht so recht wussten, was sie mit so einer Situation anfangen sollten.

Erstmal wurde gefragt, wo denn jetzt das Problem bestehe und dann hatte man nicht den Eindruck, dass nach entsprechender Schlepphilfe über Funk gesucht wurde.

Zur Entschuldigung muss gesagt werden, dass die Situation sich nicht so bedrohlich gestaltete, dass ein Mayday-Ruf erforderlich gewesen wäre. In solchen Fällen wäre ein PANPAN-Ruf angebrachter... ändert aber nichts an dem Problem, dass die Yacht in dem Hack auf eine Untiefe zu trieb.

Da wir ein großes Fischerboot in die gleiche Richtung wie die Däumling hatten fahren sehen, dachten wir, dass Lingby-Radio vielleicht mal den Notruf auf dänisch wiederholen könnte, damit sich ein ebensolcher Fischer an der Rettung beteiligen könnte... Da kam aber nichts.

Wir verfolgten das Gespräch weiter und irgendwann fand sich jemand zum Bergelohn von 200 Eu pro Stunde bereit, die Däumling auf den Haken zu nehmen.

Nun war der deutsche Skipper an Bord der Däumling bestimmt entsprechend aufgeregt, dass er alles auf Deutsch mitteilte. Aber irgendwie hatten wir ein komisches Gefühl bei der Hilfestellung von Lingby-Radio, denn der Hafen von Hou war nicht weit von der Unglücksstelle entfernt und hier in Juelsminde, wo wir jetzt sind, liegt ein kleines Militärschnellboot, dass auch schnell am Ort des Geschehens hätte sein können.

Nun ließ das Schicksal aber noch eine Wendung zu. Ein deutsches Segelboot ohne Funk an Bord (plinker-plinker) eilte zur Unfallstelle und nahm den Däumling auf den Haken.

Womit wir hier live erlebt haben, was das für ein Sch.... ist, wenn man als potentieller Helfer nicht am Funkverkehr teilnehmen kann, weil man keine Funklizenz oder zugelassene Funkstation hat und deshalb Angst haben muss, hinterher noch einen reingewürgt zu bekommen. Da müssen sich die Behörden was einfallen lassen.

Mit diesem Funkverkehr wurden wir jedenfalls von unserem Gerappel abgelenkt und das war gut so!

Von unserer (bescheidenen) Heckwelle wurden mittlerweile die Schaumkronen vom Wind weggerissen und mehrere Wellen wollten neben mir im Cockpit sitzen.

Der Höhepunkt der Garstigkeit war eine Welle, die Skrollan unterschnitt und die über die Rettungsinsel über unserem Aufbau lief und unter dem Sprayhoodmittelteil den Weg zu Claudia auf den Kartentisch fand.

Nach drei Stunden hatten wir genug Höhe, um problemlos am letzten Flach vorbei zu kommen.

Mit dem Abfallen (den Bug aus dem Wind nehmen) entspannte sich die Situation merklich und wir nahmen die Fock (kleines Vorsegel) weg und hopsten unter stark gerefften Groß mit über sechs Knoten über die Wellen.

Schon zu diesem Zeitpunkt klatschten Claudia und ich uns ab und freuten uns über unser tolles Schiff (und son büschen auch über uns ;o).

Hinter der Steilküste vor Juelsminde verschnauften wir erstmal ausgiebig im Windschatten, um uns auf den Anleger in Juelsminde vorzubereiten. Wir entschieden uns in den neuen Yachthafen am alten Fährterminal festzumachen, weil wir so keine Heckpfähle zu fangen brauchten, da die Boxen im neuen Hafen durch Ausleger begrenzt werden.

Der Anleger konnte hier direkt gegen den Wind gefahren werden und Claudia rammte Skrollan zentimetergenau in die letzte freie Box! Fertig!

....naja, ok... eine weitere freie Box wäre noch da gewesen, aber die hatten wir trotz aufmerksamen Suchens und ruhiger Vorbereitung nicht gesehen.... Wer also noch vorbeikommen möchte... hier ist noch ne Box frei ;o)

Jetzt dreht der Wind langsam auf Nord, ist aber noch so böig, dass wir hier im Hafen bleiben und nicht, wie geplant, nach Middelfahrt weiterfahren.

Außerdem muss erstmal mein Bett trockengelegt werden. Die eine oder andere Welle hat nämlich ihren Weg durch die vordere undichte Luke in (natürlich!) mein Bett gefunden.

Die Dinger wollen nicht nur im Cockpit neben mir sitzen... nein, die wollen jetzt auch schon bei mir schlafen... langsam ist aber mal Schluss mit lustig!

Bilder gibt’s aus verständlichen Gründen nicht.

Neben dem Trockenlegen, können wir auch erstmal das ganze Vorschiff neu einräumen.

Da wir dort nicht alles richtig festzurren können, sah das dort aus als hätte jemand unsere Klamotten wie in einem Knobelbecher aufgeschüttelt.

...so... Schluss mit den Heldengeschichten.

Wir sind wohlauf! Uns geht es gut und wir wissen, dass solche Fahrten nicht unser Hobby werden.

Ein wenig frage ich mich sowieso (nicht ernsthaft) was dieses ganze Bootgefahre soll??

...den heutigen Tag hätte ich viel preiswerter mit einem einfachen Versuchsaufbau simulieren können.

Um den Fahrtwind zu simulieren, lasse ich mich mit 60 km/h in einem Anhänger von einem Kombi über einen hubbeligen Waldweg ziehen. Die Kofferraumklappe ist aufgeklappt und da sitzt jemand, der mir im 20 Sekunden Takt einen Eimer kaltes Nudel- oder Kartoffelwasser (kräftig gesalzen) ins Gesicht klatscht...