27. Dezember - Völlig im Eimer – aber glücklich!


Der Tag begann auf eine Art, die wieder unsere Nehmerqualitäten forderte. Der Fahrradladen öffnete nicht zur angegeben Zeit und die Bahn entschied sich heute den Verkehr von und zur Centralstation einzustellen.

Also pedallierten wir zur nächsten Bahnstation, um das verkehrsreiche Auckland zu verlassen.

Das hört sich einfacher an, als es dann war. Wir überwanden wohl unseren ersten Pass, denn am Straßenrand standen immer so Schilder mit "Khyber Pass".

An der Station NewMarket erwartete uns zu unserer Erholung der Zug (zwei Wagons) nach Papakura.


An der Bahn hier in Neuseeland kann man sehr schön erkennen, wie erfolgreich die Privatisierung solcher Unternehmen mit Versorgungsauftrag laufen kann. Die Centralstation erinnert an die Vorhalle eines großen Kunstmuseums und ist wunderschön mit Brunnen, viel Glas und Marmor. Nur Züge fahren da (heute) nicht...

Das Personal ist superfreundlich und nett, weil es bei der geringen Anzahl Fahrgäste eine Einzelbetreuung vornehmen kann. Aber der Zustand der Gleisanlage ist unbeschreiblich schlecht.

Teilweise muss minutenlang in Schritttempo gefahren werden und die übrige Strecke erinnert eher an eine Bootsfahrt als an eine Bahnfahrt. Da sacken die Gleise mal nach links, mal nach rechts ab... und der Wagon bewegt sich, wie ein Boot in der Dünung. Herr Mehdorn sollte sich das mal anschauen, vielleicht überlegt er sich das noch mal mit seinem Börsengang.

In Papakura angekommen, begann unsere erste ernsthafte Fahrt mit dem Fahrrad.

Als wir die Vorstadt verließen umarmte uns eine unbeschreiblich schöne Landschaft.

Die Sonne schien und der neuseeländische Autofahrer fährt zwar forsch und manchmal auch etwas dicht, aber doch akzeptabel vorsichtig, an einem vorbei.

Die Landschaft erinnert an das Startbild von Windows NT (nur schöner!). Vor Clevedon erwartete uns der erste kleine Anstieg und schon da schwante mir, dass wir noch mal über den Inhalt des Anhängers nachdenken sollten.

Ich ziehe da bummelig 40 kg hinter mir her und mein Pulsmesser vermeldete mir den ersten Anschlag an die Maximalfrequenz (194 bpm).


Aber auch das geht vorbei und diese unglaubliche Landschaft lenkt einen von seinen Wehwehchen massiv ab.

Wir haben so ein Glück, dass der Wind von hinten kommt und das Wetter so herrlich ist.

...und dann kam (natürlich nach einem, für mich, giftigen Anstieg) der erste Blick auf die Kawkawabay.


...Fotos können diese Schönheit nicht einfangen. Wir japsten nach Luft, weil wir so lange nicht mehr so etwas Schönes gesehen haben.

Wie soll das nur weitergehen?

Naja, an der Kawakawa Bay gab’s erstmal ein Eis und direkt danach sollte uns der erste und einzige richtige Anstieg des Tages erwarten.

Von den drei Kilometer Anstieg gingen zwei gut und dann hat es uns abgeworfen. Mein Gott! Kennen die hier keine Serpentinen?

Dann war der Anstieg für unseren Höhenmesser 40 Höhenmeter zu früh zu Ende und wir begaben uns euphorisch in eine wellige Abfahrt. Da waren wir eigentlich schon im Eimer.


Tja...und dann sollte der Höhenmesser Recht behalten und es gab noch mal einen kräftigen Gegenanstieg und zwar noch mal 80 Höhenmeter auf kürzester Strecke obendrauf.

Das brach uns dann endgültig das Genick und so ein Spaziergang ist auch was Schönes.

...zur Entschädigung gab es aber einen Blick auf die nächste Bucht


Eigentlich sollte nach dem letzten Anstieg in Orere-Point Schluß sein. Leider waren die völlig ausgebucht und so mussten wir weiter.

So waren es nur noch 30km am Strand entlang nach Miranda.

Nach 4:30 Stunden reiner Fahrzeit und effektiv sieben Stunden unterwegs empfing uns der Holidaypark in Miranda.


Die Empfindungen zu beschreiben und die Gedanken, die man während des Strampelns und Schiebens hat, würden ganze Romane füllen.

Es ist jedenfalls so, dass wir genau das machen mussten, was wir nicht wollten.

Wir wollten mit einer kurzen 30 km Tour starten und daraus wurden dann 74 km mit 560 Höhenmetern. Viel zu viel für den Einstieg.

Als wir es dann aber geschafft hatten, waren wir überwältigt von dem Gefühlscocktail, der sich in uns breit machte.

Ich glaube, wir waren beide noch nie so erschöpft in unserem Leben gewesen. Dazu die Erleichterung es geschafft zu haben, der Stolz auf die eigene Leistung und die unbeschreiblichen Schmerzen, die durch jede Faser des Körpers wabern.

...und es ist nicht so, dass die Empfindungen, um das Radfahren neu für mich wären. Ich bin problemlos Strecken jenseits der 200 km gefahren. Aber nicht völlig untrainiert mit 40 kg Gepäck hinten dran...

Ich bin nur angekommen, weil Claudia mich die letzten 25 km gezogen hat und ich mich in ihrem Windschatten ausruhen konnte. Danke Claudia!

Zu unserem Glück hat der Holidaypark auch gleich einen "Natural Spring Hot Water Pool".

Nach unkontrollierter Aufnahme diverser Kalorien landeten wir für zwei Stunden im Entmüdungsbecken und dann in einem traumlosen zehn stündigem Schlaf.

Das war ein echt geiler Tag! Dankeschön dafür!

PS: Ich glaube, da wir weiterfahren, wird sich mein Körper massiv verändern. Der Kalorienmesser zählte für mich (ohne Einrechnung des Anhängers) 4.500 verbrannte Kalorien.

Ich glaube kaum, dass ich da gegenan Essen kann. Will ich auch gar nicht. Mal sehen wie das wird. Morgen ist jedenfalls Ruhe angesagt. Denn wir sind heute die geplanten Strecken für zwei Tage gefahren.

Claudia ist einmal im Stehen umgefallen und hat sich an der Hand und dem Knie wehgetan und bei mir haben sich anfangs beide Knie gemeldet. Wir sollten also die Sache ruhig angehen lassen.

...hört sich blöd an. Aber das ist es, was wir in Australien vermisst haben... Eine Aufgabe! Eine Herausforderung...nicht nur für die Kreditkarte!

Toll ist auch, dass wir beide ziemlich harmonisch fahren. Der Anhänger ist genau das Handicap, das wir als Gleichmacher benötigten.

Allein die unterschiedliche Fahrtechnik gibt mir zu Anfang einen großen Vorsprung. Aber das gibt sich.

Das sah man bei Claudia schon im Verlaufe dieses ersten Tages. Sie schaltet ökonomischer, fährt besser in die Anstiege hinein, fährt die Kurven besser und traut sich mehr zu. Nur an der Kalorienaufnahme müssen wir noch beide arbeiten.

Claudia war heute einmal kurz vor einem Hunger-Ast und nur, weil ich ihr das Essen quasi reingeprügelt habe, ist sie nicht ganz reingelaufen. Gott sei dank. Das braucht dann nämlich längere Zeit, um das Leistungsvermögen während des Fahrens wieder herzustellen.

Wir müssen uns halt erstmal wieder an die anderen Umstände gewöhnen....und das bringt Spaß!

Achso: Das haben wir heute zusammen gegessen 13 Bananen, zwei Äpfel, zwei Eis, eine Tüte Pommes, 2 Fischfilets, 200g Kekse, ein Bier, zwei Cola und 8 l Wasser.